Raus oder rein? Die Streitfrage

Die umstrittenste Frage unter Katzenfans ist die, ob die Katze nach draußen gehört oder auch bei reiner Wohnungshaltung glücklich werden kann. Eine ganz eindeutige Antwort darauf gibt es nicht. Klar ist aber: Bei guten Umständen ist es draußen spannender und besser. Aber: Es kann auch in der Wohnung gut gehen. Es kommt auf die Katze an, vor allem darauf, wie sie groß geworden ist.

Das Wesen der Katze

Darüber gibt es zu Recht dicke, wissenschaftliche Bücher, und es gibt eine Menge eher verschleiernde Beschreibungen: Zum Beispiel, wenn die Katze als geheimnisvoll, mystisch, ihr Wesen als unergründlich beschrieben wird. Mag sein, dass die Katze so wirkt, aber das bringt nicht viel Erkenntniszuwachs.

Wichtig ist vor allem eines: Die Katze ist eine Jägerin. Sie verbringt, wenn sie draußen ganz frei lebt, einen großen Teil ihrer Zeit damit, auf Beute zu lauern. Und auch die übrige Zeit ist sie nicht nur mit Fellputzen beschäftigt, wie die Tierärztin Gabriele Pfeiffer in unserem Beitrag erklärt: „Das Typische für eine Katze ist, dass sie eine Jägerin ist, das heißt, dass sie tagsüber damit verbringt, auf Beute zu lauern und diese Beute dann auch zu fangen. In der Zeit, die ihr dann noch bleibt, uckt sie, was die Konkurrenz in ihrem Gebiet so macht, sie beschnuppert und erkundet alle Markierungen, die sie findet

Die beiden Extrempositionen

Es gibt zwei grundsätzliche Einstellungen: Karla Klumpen ist zum Beispiel dafür, Katzen frei zwischen drinnen und draußen wechseln zu lassen -ganz so, wie die Katzen es möchten. Ulla Wolff vom Katzenschutzbund Düsseldorf ist für reine Wohnungshaltung.

Das sind – sozusagen fast in Reinform – die Extrempositionen, wie sie unter Katzenfreunden debattiert werden. Dennoch haben beide gute praktische Gründe, ihre Meinung zu vertreten: Familie Klumpen lebt mit Hund und zwei Katzen in einer Kleinstadt. Der Hund kann auf dem kleinen Grundstück herumlaufen: Die Katzen sind ihnen zwar zugelaufen, wollen aber nicht nur im Haus bleiben. Familie Wolff lebt mit fünf Katzen in einer Wohnung in der Düsseldorfer Innenstadt. Alle Katzen haben sie von der Straße aufgesammelt und seitdem, so berichtet Frau Wolff, habe keine der Katzen je versucht, aus der Wohnung herauszukommen.

Sowohl Familie Klumpen als auch Familie Wolff leben mit ihren Katzen aber nicht die extreme Form aus: Bei Familie Klumpen bekommen die Katzen drinnen zu fressen, es wird mit ihnen gespielt und geschmust, nur können sie eben kommen und gehen, wann sie wollen. Und bei Familie Wolff gibt es einen vergitterten Balkon mit Spielmöglichkeiten für die Katzen. Nur, weiter geht es nicht!

Es gibt noch extremere Haltungen: Das wären auf der „Wohnungsseite“ die Katzenbesitzer, die niemals darüber nachdenken würden, dass es draußen netter für die Katze sein könnte. Und auf der „Draußen“-Seite wären es zum Beispiel die Bauernhofbesitzer, die zwar wissen, dass es Katzen bei ihnen gibt, sie auch ab und zu sehen, aber keinen weiteren Kontakt mit ihnen haben.

Bedingungen für Wohnungshaltung

Ob eine Katze sich in der Wohnung wohlfühlt, hängt – schlicht gesagt – von dem ab, was sie bisher gewohnt ist. Ulla Wolff berichtet zum Beispiel über Kater Tassilo: „Wir haben den von einer fürchterlichen Hauptverkehrsstraße eingesammelt und als er bei uns war, hat der wirklich fast sechs Wochen nur im Bett gelegen und geschlafen. Man konnte so richtig merken, wie er sich ausgeschlafen hat. Das ist doch wirklich ein Zeichen, dass die die Schnauze voll haben von draußen.“ Schnauze voll von draußen – das geht aber nur wenigen Katzen so. Wenn sie mal draußen gewesen sind und es ihnen gut gefallen hat, dann wollen viele nicht mehr drinnen bleiben.

Wie gut es ihnen gefällt, das hängt von vielem ab. Schlecht sind neben anderen Gefahren (die im nächsten Abschnitt behandelt werden) wie zum Beispiel: Gärten ohne jede Rückzugsmöglichkeit oder sehr aggressive Nachbarkatzen. Trotzdem: Es ist grundsätzlich schwieriger für eine Katze, sich an eine reine Wohnungshaltung zu gewöhnen, wenn sie einmal draußen war.

Die besten Chancen, in der Wohnung glücklich zu werden, haben Katzen, die schon ihre Prägezeit in einer Wohnung mit Menschen zugebracht haben. Die Prägezeit sind die ersten sechs Lebenswochen. Und dann scheint es weiblichen Katzen noch etwas leichter zu fallen als Katern.

In jedem Fall muss auch in der Wohnung etwas los sein, denn Katzen bleiben Jäger, egal, wie und wo sie leben. Einsamkeit und Langeweile sind tödlich für die Katze. Wenn sie nicht allein irgendwohin gehen kann, braucht sie umso mehr Anregung dort, wo sie ist.

Wenn sie es von klein auf kennt, sind Artgenossen oder auch andere Tiere sehr gut. Längst nicht alle Katzen vertragen sich miteinander. Aber auch die sprichwörtliche Feindschaft von Hund und Katze ist Unfug. Das weiß jeder, der gesehen hat, wie beide, aneinander gewöhnt, sich miteinander beschäftigen.

Die Wohnungskatze braucht mit ihrem Wohnungsmenschen am Tag eine ganze Stunde Spielzeit. Ein Kratzbaum und Speilzeug muss her. Es kann gekauft oder auch selbst gemacht sein. Dann kann es drinnen gut gehen, notfalls auch als Einzelkatze. Aber nicht ohne eine weitere Grundvoraussetzung, wie die Tierärztin Gabriele Pfeiffer in unserem Beitrag erklärt: „Bedingung ist aber: Für eine Katze benötigt man mindestens 45 Quadratmeter und Zugang zu allen Räumen. Besser snd zwei getrennt Räume als ein großer Raum, weil sie dann Möglichkeiten hat, sich von ihrem Menschen auch zurückzuziehen. Denn für die Katze ist auch sehr, sehr wichtig, dass sie die Möglichkeit hat, sich dem Blickkontakt zu entziehen.“ Die Katze entscheidet selbst, wann und wohin sie sich zurückzieht.

Gefahren, die draußen lauern

Tatsächlich ist das Katzenleben draußen nicht ohne, denn da lauern eine Menge Gefahren, die die Katze nicht einordnen kann: Das können manchmal Giftköder sein oder Katzenfänger. Aber, je nach Wohnlage sind Autos und Krankheiten wie Katzenaids die größte Gefahr. Umfangreicher Impfschutz ist wichtig, aber gegen Katzenaids gibt es keinen. Auf dem Land kann auch der Jäger eine Gefahr für Katzen sein. Eine umfassende Statistik über Verletzungs- oder Todesursachen frei laufender Katzen gibt es nicht. Anders als bei Hunden gibt es bei Katzen weniger Möglichkeiten, sie zur Gefahrvermeidung zu erziehen.

Praktische Kompromisse

Für die „kleine Freiheit“ ohne großes Sicherheitsrisiko gibt es mehrere Lösungen, die wir in unserem Beitrag vorgestellt haben. Einen beachtlichen Erfolg in punkto Erziehung haben wir bei den sechs Katzen von Susanne Wanninger (Katzenschutz Bonn/Rhein-Sieg) beobachten können. Sie und ihr Mann leben auf dem Land und haben den Katzen beigebracht, möglichst im Garten zu bleiben. Dabei haben sie neben viel Anlocken und Zuneigung auch Tricks angewendet: Dass der Bereich jenseits der Einfahrt von der Straße nicht günstig ist, wurde zum Beispiel mit überraschend aus einem Eimer geschütteten kalten Wasser unterstrichen. Auch zwischendurch lockt oder scheucht Susanne Wanninger immer mal wieder Richtung Garten. Allerdings wären alle diese Bemühungen wohl vollkommen zwecklos, wenn die Katzen nicht kastriert wären. Zu den Kastrationsfolgen gehört nämlich auch, dass Katzen und Kater nicht mehr so weit herumstreunen.

Die Wanninger-Katzen laufen auf einem teilweise offenen Grundstück herum und werden abends hereingeholt. Ganz frei laufen lassen kommt für Susanne Wanninger nicht in Frage und das nicht nur wegen der Gefahren draußen, sondern auch, weil sie ein enges Verhältnis zu ihren Katzen haben möchte.

Eine andere praktische Lösung, mitten in der Stadt: Wie Ulla Wolff hat auch Eva-Maria Kolfenbach (Katzenschutz Bonn/Rhein-Sieg) einen geschützten Auslauf für ihre Kater angelegt. Eine besonders schöne Lösung, die dadurch möglich wird, dass eine kleine Dachterrasse vorhanden ist: Saladin und Bartor können durch Plastikröhren wann sie mögen in einen vergitterten Bereich. Daneben dürfen sie auch die bepflanzte Terrasse selbst erkunden – Saladin ohne Geschirr, Bartor, der eine Sehbehinderung hat, mit Geschirr.

Zumindest der Geruch der Freiheit ist sehr gut für die Katzen, sagt Eva-Maria Kolfenbach: „Eine Katze ist eigentlich, im Grund ihres Wesens, frei lebend, von ihrer Natur her, von ihrer Art her. Und artgerechte Haltung beinhaltet zumindest ein bisschen frische Luft, etwas Sonne, etwas Grün.“

Ein katzensicherer Garten ist die Alternative für Katzenbesitzer im Grünen, die ihre Nachbarn vor den Katzen (und umgekehrt) oder einfach die Katzen vor vielen Gefahren schützen möchten. Da ist der Kratzbaum ein echter Baum und in seinem oberen Teil können ungestört Vögel sitzen, denn durch abgesägte Äste, um den Stamm gezogene Sporne und breit um den Stamm gelegten Maschendraht können die Katzen nicht nach ganz oben. Mit einem hohen und oben schräg nach innen zeigenden feinen Maschendraht sind auch die Grundstücksgrenzen umzogen.

Das Material gibt es im Baumarkt, und der nach innen gewinkelte Draht überwächst nach und nach. Eine Katzenklappe gibt es hier zwar nicht, aber die Tür geht erfreulich oft auf und dann kann die Katze draußen und sicher sein – auf die Jagd gehen, alles erkunden und sich ausruhen. Zum Beispiel in einem der vielen Körbe, die aufgestellt oder an einem Baumstamm aufgehängt sind.

Fazit

Eine Katze ist kein Dekorationsstück. Sie ist ihrem Wesen nach eine Jägerin und diesem Wesen muss man schon entsprechen wollen, wenn man Katzen halten möchte. Ob es draußen oder drinnen gut geht, hängt erst einmal von dem ab, was die Katze schon kennt. Und dann von Ihnen. Denken Sie daran: Eine Stunde Spielzeit täglich!

Quelle:
Tiere suchen ein Zuhause – Sendung vom 10. August 2003 | Katzen raus oder rein? Von Barbara Willms

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